Freiwilliges Engagement – ein Reichtum für die ganze Gesellschaft
DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt plädierte beim 12. Bayerischen Katastrophenschutz-Kongress leidenschaftlich dafür, die Freiwilligendienste aufzuwerten. Und auch beim Bevölkerungsschutz sandte sie klare Botschaften an die Bundespolitik aus. Er sei nichts, „was sich die Hilfsorganisationen einfach so ausdenken“. Ihn in Krisenzeiten oder kurz danach als wichtig zu bezeichnen, sei zu wenig. „Da müssen auch konkrete Taten folgen, sonst können wir das nicht ernst nehmen.“ Innenminister Joachim Herrmann würdigte die Schlagkraft der bayerischen Blaulicht-Familie. „Wir haben ein starkes Netzwerk der Organisationen“, meinte der Politiker.
Von Frank Betthausen
Weiden. Am Vorabend war es DRK-Generalsekretär Christian Reuter, der Deutschlands Politikern und Entscheidungsträgern deutliche Sätze ins Stammbuch schrieb – einen Tag später stimmte Gerda Hasselfeldt klare Töne an. Drei Jahre Corona, nicht enden wollende Kämpfe in der Ukraine, Natur- und Unwetterkatastrophen… Wenn der Bevölkerungsschutz nach all diesen Geschehnissen noch nicht voll im Bewusstsein aller Akteure sei, meinte die DRK-Präsidentin energisch, „dann weiß ich nicht, was noch passieren muss, um ihn in den Köpfen der politisch Verantwortlichen zu verankern“.
Für die Aussage, die sie während ihrer Rede zur Eröffnung des 12. Bayerischen Katastrophenschutz-Kongresses in der Weidener Max-Reger-Halle traf, erhielt sie kräftigen Applaus der Zuhörer im Gustl-Lang-Saal.
„Momentan ist es so, dass das nur eine Angelegenheit sein kann für junge Leute, deren Eltern es sich leisten können – und das kann es nicht sein. Wir müssen diese Dienste attraktiver gestalten.“ DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt
Genauso wie für ihre Feststellung, dass der Freistaat Bayern den Bedürfnissen des Katastrophenschutzes offen gegenüberstehe, auf Bundesebene aber Nachholbedarf feststellbar sei.
„Bevölkerungsschutz ist nicht etwas, was sich die Hilfsorganisationen einfach so ausdenken. Es ist eine ganz wichtige, seriöse, unverzichtbare Aufgabe – eigentlich für den Staat.“ Zivilschutz sei eine bundespolitische Aufgabe.
„Und da kann es nicht nur darum gehen, in Krisenzeiten oder kurz nach der Krise zu sagen: Er ist wichtig. Da müssen auch konkrete Taten folgen, sonst können wir das nicht ernst nehmen“, sagte die Gastrednerin, die auch im Bevölkerungsschutz – einem Bereich, in dem die Arbeit zu 90 Prozent aus dem Ehrenamt heraus geleistet werde – eine Zeitenwende ausmachte.
Ein leidenschaftliches Plädoyer hielt Hasselfeldt für die Freiwilligendienste, die es aufzuwerten gelte – auch mit Blick auf die Nachwuchsgewinnung und -förderung bei den Hilfsorganisationen. „Momentan ist es so, dass das nur eine Angelegenheit sein kann für junge Leute, deren Eltern es sich leisten können – und das kann es nicht sein. Wir müssen diese Dienste attraktiver gestalten“, forderte die DRK-Präsidentin.
Anerkennung und Qualifizierung
Das funktioniere nicht nur übers Taschengeld, sondern auch über Anerkennung und Qualifizierung. „Und es geht darum, auch deutlich zu machen, dass die Unternehmen und Betriebe einen Vorteil davon haben, wenn sie solche Leute anschließend beschäftigen, weil diese Menschen Engagement mitbringen – nicht für sich, nicht für ihr persönliches Umfeld, sondern für andere“, sagte sie.
Das sei ein Wert an sich, der gar nicht hoch genug eingeschätzt werden könne. „Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Dienste einen Reichtum für die gesamte Gesellschaft darstellen“, sagte Hasselfeldt.
Die 72-Jährige erneuerte außerdem ihre Forderung nach einer bundesweit einheitlichen Gleichstellung von ehrenamtlichen Einsatzkräften.
Großer Bürokratie-Aufwand
Hintergrund: Durch eine bundesgesetzliche Regelung können etwa Aktive des Technischen Hilfswerks für Einsätze und Lehrgänge von der Arbeit freigestellt werden. Bei den Hilfsorganisationen hängt dies davon ab, aus welchem Bundesland sie stammen – die Organisationen müssen zum Teil mit großem Bürokratie-Aufwand mit den Arbeitgebern verhandeln und teilweise bei der Erstattung der Lohnfortzahlung in Vorleistung gehen.
Die DRK-Präsidentin sprach von einem „Flickenteppich“ und „nicht tragbaren“ Zuständen. Die Situation sei den ehrenamtlichen Helfern nicht zu vermitteln – genauso wenig wie der Bevölkerung. „Deshalb werde ich nicht müde, bundesweit, in allen Ländern, in denen wir die Helfergleichstellung nicht haben, dafür zu werben, dass dort auch entsprechende Regelungen getroffen werden.“ Der Freistaat habe hier, was die Einsätze im Katastrophenfall betreffe, eine sehr gute Grundlage und habe die Helfergleichstellung tatsächlich realisiert.
Was aber auch in Bayern noch gebraucht werde, sei die Regelung für Ausbildung sowie Qualifizierung und Weiterbildung, betonte Hasselfeldt, die den Aktiven des Roten Kreuzes in ihrem Eingangsstatement bescheinigt hatte, dass sie in den vergangenen drei Pandemie-Jahren „Unglaubliches“ geleistet hätten. „Bei vielen führte das bis an die Grenze der psychischen und physischen Belastbarkeit“, hatte sie erklärt.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann würdigte in seiner Rede die Schlagkraft und Zusammenarbeit der bayerischen Blaulicht-Familie. „Ich freue mich, dass wir uns auf ein großartiges Gefahrenabwehr- und Hilfeleistungssystem in Bayern verlassen können. Wir haben ein starkes Netzwerk der Organisationen“, betonte der CSU-Politiker.
Die gemeinsame Verantwortung
Jede dieser Organisationen werde gebraucht und je schlimmer das Ereignis sei, desto wichtiger sei die optimale Zusammenarbeit. „Weil wir eine gemeinsame Verantwortung für die Menschen in diesem Land haben – für die bestmögliche Sicherheit und für die Rettung von Menschenleben in Gefahren!“, erklärte der Innenminister.
Mit Blick auf die Ereignisse der vergangenen Jahre – Herrmann nannte unter anderem die Pandemie, das Hochwasser im Ahrtal und die schweren Waldbrände des Jahres 2022 – sah er den Katastrophenschutz-Kongress, zu dessen Programm der 8. Fachkongress Rettungsdienst gehört, als gute Möglichkeit, über die Herausforderungen der Zukunft nachzudenken und sich mit neuen Strategien zu beschäftigen.
Denn: „Leider wird aller Voraussicht nach die Gefahr nicht geringer werden, sondern wir müssen davon ausgehen, dass sich so etwas wiederholt“, meinte Herrmann.
Bayern habe hier in den vergangenen Jahren versucht, durch intensive Investitionen vorzubauen. Mit dem Doppelhaushalt 2019/2020 sei ein Sonder-Investitionsprogramm bis 2030 begonnen worden. Allein in den vergangenen vier Jahren seien mehr als 70 Millionen Euro für Investitionen in den Katastrophenschutz bereitgestellt worden, erklärte Herrmann.
„Die Anstrengungen verstärken"
„Wir werden diese Anstrengungen weiter verstärken müssen“, meinte der Minister. Und er fügte an: „Auch wenn wir alle immer hoffen – jeden Tag –, dass wir von solchen Ereignissen verschont bleiben, spricht leider eben doch die Wahrscheinlichkeit und die wissenschaftliche Prognose dafür, dass wir irgendwann in unserem Land wieder von einer Katastrophe betroffen sein werden. Deswegen müssen wir uns vernünftig darauf vorbereiten.“
„Es braucht Anerkennung, es braucht Einfühlungsvermögen und es bedarf einer öffentlichen Kommunikation, einer Sensibilisierung der Bevölkerung und einer entsprechenden Einsatzstruktur.“ BRK-Vize-Präsidentin Brigitte Meyer
BRK-Vizepräsidentin Brigitte Meyer, die bei der Traditions-Veranstaltung der BRK-Bereitschaften in Weiden Präsidentin Angelika Schorer vertrat, sprach von „fast schon apokalyptischen Zuständen“, mit denen es das Rote Kreuz in den vergangenen drei Jahren zu tun bekommen habe. „Vor diesem Hintergrund wirken Sätze der Macher und Praktiker doppelt und dreifach gewichtig. Auf sie sollten wir hören, aus ihren Worten sollten wir dringend Lehren ziehen“, erklärte Meyer und spielte auf ein Zitat von Peter Hausl an.
Der Mitbegründer des Kongresses in der Max-Reger-Stadt und frühere Abteilungsleiter Rettungsdienst in der BRK-Landesgeschäftsstelle in München hatte vor der Großveranstaltung in einem Interview gesagt: „Der Katastrophenschutz steht heute völlig klar als wesentlicher Bestandteil da, der bearbeitet werden muss – genauso wie der Zivilschutz!“
Dem sei nichts hinzuzufügen, befand Brigitte Meyer, die sich in ihrem Grußwort unter anderem mit der Rolle sogenannter Spontanhelfer bei Katastrophenfällen befasste. „Diese Menschen stützen unsere Gesellschaft in den schwierigsten Zeiten ganz, ganz wesentlich“, erklärte sie und forderte ein „besonderes Verständnis“ für eine erfolgreiche Einbindung von Spontanhelfern. „Es braucht Anerkennung, es braucht Einfühlungsvermögen und es bedarf einer öffentlichen Kommunikation, einer Sensibilisierung der Bevölkerung und einer entsprechenden Einsatzstruktur“, erklärte die Vize-Präsidentin.
Als jemand, dem das Thema Pflege schon immer stark am Herzen gelegen habe, freute sich Meyer nach eigenen Angaben darüber, dass die Veranstalter mit dem Thema „Der geriatrische Patient im Katastrophenschutz-Fall“ einen besonderen Schwerpunkt gesetzt hätten.
BayZBE als „großartige Entscheidung“
Die Organisatoren widmeten sich damit nicht nur der spezifischen Weiterentwicklung ihrer Einsatzfelder. „Sie wenden sich auch den Schwächsten unserer Gesellschaft zu, die wir im Katastrophenfall in besonderer Weise schützen und umsorgen müssen. Hilfe und Halt für Menschen in Not: Das ist originäre Rot-Kreuz-Arbeit, die Sie hier leisten“, meinte Meyer.
Andreas Meier, Landrat des Landkreises Neustadt an der Waldnaab, nutzte die Anwesenheit von Innenminister Joachim Herrmann, der Staatsregierung für den geplanten, rund 30 Millionen Euro teuren weiteren Ausbau des Bayerischen Zentrums für besondere Einsatzlagen (BayZBE) in Windischeschenbach zu danken.
„Es war damals eine großartige und sehr, sehr wichtige Entscheidung, dieses Zentrum hier bei uns anzusiedeln“, sagte das Landkreisoberhaupt.
„Das Bayerische Rote Kreuz in der Stadt zu haben, ist ein gutes Gefühl.“ Weidens Bürgermeister Lothar Höher
Der Erfolg des Einsatzzentrums habe sich bereits in der ersten Ausbaustufe gezeigt – und das während der schwierigen Coronazeit, als dort zu Beginn der Pandemie das Lagezentrum eingerichtet worden sei. In Windischeschenbach werde die Zusammenarbeit aller Hilfsorganisationen gelebt. „Diese Zusammenarbeit war ein Schlüssel zum Einsatzerfolg. Wir waren immer vor der Lage“, sagte Meier in einer Rückschau auf die Corona-Krise. Und: Das Zentrum habe nichts von seiner Notwendigkeit verloren. „Denken Sie an die Amok-Lage in Hamburg!“, meinte der Landrat.
Weidens Bürgermeister Lothar Höher stellte den auswärtigen Gästen in aller Kürze die Kommune vor und fand danach lobende Worte für das Rote Kreuz. „Weiden ist eine BRK-Stadt“, meinte er. Es gebe kaum soziale Leistungen vor Ort, an denen das BRK nicht beteiligt sei. „Das Bayerische Rote Kreuz in der Stadt zu haben, ist ein gutes Gefühl“, erklärte Höher.
BRK-Bezirksvorsitzender Hans Rampf würdigte in seiner Begrüßungsrede die Verdienste von Herbert Putzer, Brigitta Hausl-Wieschalka und Peter Hausl, die den Bayerischen Katastrophenschutz-Kongress einst ins Leben gerufen hatten.
„Sie haben Maßstäbe gesetzt"
„Sie haben mit Ihrer Veranstaltung, die längst nationalen und internationalen Charakter hat, Maßstäbe gesetzt. Die Tradition, die Sie begründet haben, die Erfolgsgeschichte, deren erste Kapitel Sie aufgeschlagen haben, lebt bis heute fort“, betonte Rampf.
Von 1999 an hätten Putzer, Hausl und Hausl-Wieschalka – das Trio saß in der ersten Reihe und freute sich sichtlich über die Anerkennung – mutig gegen Widerstände angekämpft und im Jahr 2000 den ersten Kongress in Weiden zum Erfolg geführt; unter dem damaligen Motto „Mit dem BRK als kompetentem Partner in die Zukunft“.
Die Veranstaltung sei lebendiger denn je, sagte Rampf. Und: Sie sei wichtiger denn je. Die Erfahrungen der vergangenen drei Jahre hätten das allen Beteiligten deutlich aufgezeigt.
Auch vor diesem Hintergrund sei er den „Erben“ an der Bereitschaftsspitze und dem Organisationsteam dieses Kongresses – allen voran Landes- und Bezirksbereitschaftsleiter Dieter Hauenstein – unglaublich dankbar dafür, „dass sie diese enorme Verantwortung weitertragen“.