BRK-Aids-Beratung ist Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige

1983 wurde das HI-Virus erstmals entdeckt und galt damals für Betroffene als sicheres Todesurteil. Während eine Infektion früher noch Panik auslöste, ermöglichen moderne Therapien heute ein nahezu normales Leben. Trotzdem bleibt HIV und Aids für viele ein gesellschaftliches Tabuthema. Hans-Peter Dorsch, Mitbegründer und Leiter der BRK-Aids-Beratungsstelle Oberpfalz in Regensburg, erklärt, warum das so ist, wer die Hilfe seiner Einrichtung in Anspruch nimmt und warum diese Arbeit auch weiterhin so herausfordernd und wichtig ist.

Von Eva Rothmeier

Regensburg.Die wichtigste Botschaft vorneweg: Eine Infektion mit dem HI-Virus ist nicht mehr die Tragödie, die es einmal war. „Jeder Infizierte ist nur eine Tablette täglich von der Heilung entfernt“, macht Diplom-Psychologe Hans-Peter Dorsch sogar deutlich. Und dennoch gibt es immer noch genügend Menschen, die aus Unwissenheit über Infektionsrisiken oder Angst vor dem Ergebnis nicht zum Testen gehen. Ziel der Psychosozialen Aids-Beratungsstelle Oberpfalz, die seit ihrer Gründung 1988 unter der Trägerschaft der BRK-Bezirksverbands Niederbayern/Oberpfalz steht, ist deshalb, dass alle Menschen – egal ob HIV-positiv oder -negativ – lernen, informiert und realistisch mit der Krankheit und ihren Risiken umzugehen.

„Die Zahl der Infizierten steigt jedes Jahr, aber vor allem deshalb, weil sich zwar noch Menschen mit dem HI-Virus anstecken, aber viel weniger an oder mit der Krankheit sterben.“ Hans-Peter Dorsch, Leiter der Aids-Beratungsstelle Oberpfalz

„Und ein besseres Dach als das des Roten Kreuzes hätten wir hierfür tatsächlich nicht finden können. Steht es doch für all die Werte, die wir in unserer täglichen Arbeit leben“, erklärt Dorsch. Wer die größte Not habe, dem müsse zuerst geholfen werden. Glaube, Hautfarbe, Nationalität, sexuelle Orientierung und Identifikation spielen dabei keine Rolle.

Deutschlandweit waren laut offiziellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts im Jahr 2023 rund 96.700 Menschen mit HIV infiziert. Bayernweit liegt die Zahl bei etwa 11.000, für die Oberpfalz kann der Leiter der Beratungsstelle aber nur schätzen: „Ich denke, wir bewegen uns hier bei etwa 800 Betroffenen“, sagt Dorsch.

Grundsätzlich steige die Zahl der Infizierten jedes Jahr, aber vor allem deshalb, weil sich zwar noch Menschen mit dem Virus infizieren, aber viel weniger an oder mit der Krankheit sterben. Mittlerweile könne man sagen, dass jeder, dessen HIV-Infektion fachgerecht behandelt wird, nicht mehr an Aids erkrankt oder gar daran versterben muss.

„Von Beginn der Forschungen bis zum jetzigen Stand waren aber natürlich viele Zwischenstufen nötig. Man hat mit jedem Jahr, mit jedem Medikament, bei der Forschung und Behandlung dazugelernt. Heute reicht bei den meisten Infizierten eine Tablette am Tag aus – und die ist tatsächlich fast nebenwirkungsfrei“, erklärt Hans-Peter Dorsch.

Das Herz des 64-Jährigen steckt in dieser Regensburger Aids-Beratungsstelle, hat er sie doch mitgegründet und sogar das Konzept dafür geschrieben. Hans-Peter Dorsch hat deshalb auch viele Krankheitsgeschichten und -verläufe im Laufe von über drei Jahrzenten hautnah mitbekommen. Und bis heute berühren ihn viele von diesen.

„Wir bekommen es hier mit ganz unterschiedlichen Menschen und Geschichten zu tun. Jemand, der fest im Leben steht, beruflich und privat abgesichert ist, für den ist die Diagnose natürlich erstmal ein Schock und er oder sie hat viele Fragen. Vor allem, weil HIV immer noch eine Krankheit ist, von der man nicht jedem erzählt. Aber die Fragen können wir meist relativ schnell klären und die Medikamente wirken auch sehr zügig. Für denjenigen oder diejenige geht das Leben dann oft einfach weiter wie vorher“, beschreibt der Diplom-Psychologe. Aber dann gebe es eben auch noch die anderen Gruppen an Betroffenen. Etwa aus dem Kreis der Drogen-Konsumenten, wo Aids oft nur eines von vielen Problemen und eine ganz andere Art von Hilfe notwendig sei.

„Wir sind fast täglich auf die Hilfe von Dolmetschern angewiesen.“  Laut Hans-Peter Dorsch suchen Menschen aus etwa 40 verschiedenen Nationen Hilfe bei der Beratungsstelle

Oder eben die immer größer werdende Gruppe an infizierten Migranten. „Schon den Krieg in Syrien und die Flüchtlingswelle 2015 haben wir in der Beratungsstelle zu spüren bekommen. Und in den letzten beiden Jahren hatte der Krieg in der Ukraine extrem große Auswirkungen auf unsere Arbeit“, erklärt er.

Mittlerweile kommen jedes Jahr Menschen aus rund 40 verschiedenen Nationen in die Aids-Beratungsstelle und nur noch 36 Prozent aller HIV-positiven Klienten des Jahres 2023 sind in Deutschland geboren.

Fast täglich wird hier laut Dorsch die Hilfe von Dolmetschern benötigt und besonders anspruchsvoll wird die Beratung, wenn die Betroffenen weder die Sprache verstehen noch die Schriftzeichen lesen können.

Da es für den Diplom-Psychologen und sein Team aber natürlich immer das Ziel ist, allen Betroffenen und auch Angehörigen die Hilfe zukommen zu lassen, die sie gerade brauchen, nehmen die Gespräche oft viel Zeit und Geduld in Anspruch. „Nicht selten sind wir auch beim Gang zu den verschiedenen Ämtern mit dabei, um sicherzustellen, dass die Betroffenen nicht einfach weitergeschickt werden“, sagt der 64-Jährige.

Die Mitarbeiter der Beratungsstelle sehen sich selbst als eine Art Rettungsseil und sie versuchen, sich nach und nach überflüssig zu machen. „Manchmal sind dafür nur drei Stunden nötig, manchmal auch 100. Aber das Schöne ist, dass wir den Menschen in der Regel gut helfen können und meist sehr viel Dank zurückbekommen“, freut sich Dorsch.

Aufklärung und Prävention sieht der Leiter als weitere Hauptaufgaben der Aids-Beratungsstelle. Das Angebot richte sich dabei verstärkt an die LGBT-Szene und werde über die sozialen Medien oder bei Christopher Street Days publik gemacht.

Jeder, der möchte, kann sich beispielsweise nach Terminvereinbarung von Montag bis Freitag in der Regensburger Beratungsstelle einem Schnelltest unterziehen oder sich zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten beraten lassen.

Außerdem wird jeden zweiten Dienstag im Checkpoint Regensburg getestet. „Auch das Pride-Summer-Testing war heuer ein riesiger Erfolg, das ist wirklich super“, freut sich Dorsch.

Ein weiterer Zuständigkeitsbereich seiner Beratungsstelle ist das Spritzenaustausch-Programm in Regensburg. Das Projekt, bei dem Drogenkonsumenten in der Region hygienische Spritzen und weiteres Hygienematerial im Austausch gegen benutzte Spritzen erhalten, wird komplett von der Aids-Beratungsstelle organisiert und zusammen mit Partnern wie den Vereinen Drug Stop und Rafael sowie der Caritas Suchtambulanz durchgeführt. Finanziert wird es durch Gelder von Stadt und Landkreis Regensburg.

„Zwei Drittel aller Drogenabhängigen in der Oberpfalz sind mit Hepatitis C infiziert und für mich ist das eine unfassbare Gesundheitskatastrophe“, sagt Dorsch. Bis Ende des Jahres habe man durch das extrem erfolgreiche Projekt wieder weit über 200.000 Kanülen, 150.000 Spritzen und viel weiteres Hygienematerial verteilen können.

Neben diesen so wichtigen Beratungsgesprächen, Test-Angeboten und Aktionen gibt es seit dem Jahr 2003 die jährlich stattfindende Aids-Tanzgala in Regensburg. „Bis auf das Corona-Jahr 2020 konnte der Ballettabend jedes Jahr stattfinden und ist für uns ganz einfach ein riesiges Geschenk, das wir allein niemals auf die Beine stellen könnten und für das wir wahnsinnig dankbar sind“, erzählt Dorsch.

Die Benefizveranstaltung wurde auf Initiative von Ricardo Fernando, damaliger Intendant am Theater Regensburg, ins Leben gerufen, um Geld für die Unterstützung von HIV- und Aids-Betroffenen zu sammeln und gleichzeitig das Bewusstsein für diese Krankheit in der Gesellschaft zu stärken.

„Seit vielen Jahren hat dieses Event einen festen Platz in der Oberpfälzer Kulturwelt und ist immer ausverkauft“, freut sich der 64-Jährige. Heuer findet die Veranstaltung am 16. November im Theater am Bismarckplatz in Regensburg statt.