Zweieinhalb Jahre ist es her. Seitdem ist im Leben von Hamideh Hamidi nichts mehr, wie es einmal war. Die frühere Torhüterin der iranischen Fußball-Nationalmannschaft musste aus Angst vor der iranischen Regierung aus ihrer Heimat fliehen. In Deutschland wagt sie nun einen Neuanfang – und macht seit September letzten Jahres eine Ausbildung zur Pflegefachfrau in unserem BRK-Senioren- und Servicezentrum Neutraubling.
Von Eva Rothmeier
Neutraubling. Mitte September 2022. Die junge Kurdin Mahsa Amini wird von der Sittenpolizei im Iran festgenommen und misshandelt, weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht richtig getragen hat. Am 16. September 2022 stirbt die 22-Jährige an ihren Verletzungen. Ihr Tod löst iranweit Proteste unter dem Motto „Frau, Leben, Freiheit“ aus.
Auch Hamideh Hamidi, frühere Torhüterin und zu der Zeit Torwarttrainerin der iranischen Frauenfußball-Nationalmannschaft, geht mit ihren Freundinnen zum Demonstrieren auf die Straße und postet darüber in sozialen Netzwerken. Das wird nicht gern gesehen.
„Mein Leben im Iran wäre nicht mehr sicher gewesen. Ich bin froh, jetzt hier sein zu dürfen.“
Hamideh Hamidi, frühere Torhüterin der iranischen Fußball-Nationalmannschaft und jetzt Auszubildende zur Pflegefachfrau in Neutraubling
„Neben dem Fußball habe ich über 13 Jahre bei der Stadt Teheran gearbeitet und mich beispielsweise für Kinder mit Downsyndrom engagiert. Doch mein Arbeitgeber hat mich nach meinen öffentlichen Posts über den Anschlag rausgeschmissen und mir war schnell klar, dass ich nicht in Teheran bleiben kann, wenn ich nicht auch im Gefängnis landen möchte“, erzählt Hamideh.
Also flieht die heute 40-Jährige. Lässt Familie und Freunde zurück und wagt allein die Flucht ins Ungewisse. Ihren genauen Weg mag sie auch heute noch nicht erzählen, nur so viel: „Ich war zuerst in Italien und wollte dann unbedingt nach Deutschland, weil hier eine meiner Schwestern schon seit Jahren mit ihrer Familie lebt.“
Das ist Hamideh gelungen, auch wenn der Anfang alles andere als leicht war. „Die deutsche Sprache ist unglaublich schwer und ich vermisse meine Eltern, meine Geschwister und Freunde. Aber mein Leben wäre im Iran nicht mehr sicher gewesen und deshalb bin ich froh, jetzt hier sein zu dürfen“, sagt sie.
Über ein Jahr hätten Mitarbeiter des Regimes immer wieder bei ihren Eltern nachgefragt, wo sie denn sei. Auch in Deutschland habe sie sich anfangs immer beobachtet gefühlt. Das sei jetzt besser geworden, wohl auch, weil die 40-Jährige mittlerweile hier einen neuen Partner, der ebenfalls aus dem Iran kommt, gefunden hat.
Umso mehr freut Hamideh sich, dass es jetzt endlich auch mit einer Ausbildungsstelle geklappt hat. Da sie immer schon gern Menschen geholfen und unterstützt habe, sei der Beruf der Pflegefachfrau genau der Richtige für sie.
„Die Kollegen und die Bewohner hier in Neutraubling haben mich so nett aufgenommen und ich hoffe sehr, dass sich jetzt auch mein Deutsch schnell verbessert“, erzählt die Iranerin und betont, wie dankbar sie für diese Chance ist.
Auch wenn es manchmal schon schwer sei, mit 40 Jahren noch einmal ganz von vorne anfangen zu müssen und wieder zur Schule zu gehen.
An Deutschland mag Hamideh vor allem, hier frei und in Sicherheit leben zu können. Das sei ein wunderbares Gefühl. Die Angst über die Zustände in ihrem Heimatland begleiten die 40-Jährige dennoch jeden Tag.
„Ich habe täglich Kontakt zu meiner Familie und verfolge ständig die Nachrichten“, verrät sie. Die Situation der Frauen im Iran habe sich auch nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini und den Protesten nicht geändert. Vielmehr werde es jeden Tag schwieriger und schlechter.
„Der Fußball hat mich so viel gelehrt, vor allem die Gemeinschaft war immer wichtig für mich.“
Hamideh Hamidi musste aus ihrer Heimat Iran fliehen
Ob sie jemals wieder zurückkehren wird, kann Hamideh schwer einschätzen. „Momentan auf keinen Fall. Vielleicht irgendwann auf Besuch“, sagt sie.
Hamideh versucht, so gut es geht, auch von Deutschland aus in den sozialen Netzwerken für die Demonstrationen Werbung zu machen. Kraft dafür gibt ihr neben ihrer Arbeitsstelle im SSZ Neutraubling auch im neuen Land der Fußball.
„Fußball ist mein Leben. Der Sport hat mich so viel gelehrt und vor allem die Gemeinschaft war immer wichtig für mich“, erzählt die frühere Nationaltorhüterin. Mit der iranischen Nationalmannschaft sei sie viel in der Welt herumgekommen, habe neben zahlreichen asiatischen Mannschaften auch Spiele gegen Deutschland, Portugal oder Frankreich bestritten.
Derzeit hütet die 40-Jährige das Tor der Frauenmannschaft des SC Regensburg, die aktuell in der Bezirksoberliga spielt. „Und wenn mein Deutsch irgendwann besser ist, möchte ich unbedingt auch wieder Kinder trainieren. Das ist einer meiner großen Träume“, sagt sie mit leuchtenden Augen.