Hohe Fehlzeiten, unberechenbare Dienstpläne und häufiges Einspringen prägen den Arbeitsalltag in der Pflege – und das nicht erst seit der Coronapandemie. Diese belastenden Arbeitsbedingungen, kombiniert mit wachsenden Anforderungen, führen oft zu ausgebrannten und demotivierten Pflegekräften, die sich im schlimmsten Fall aus dem Berufsfeld zurückziehen und auch nicht mehr zurückkehren. Diese Abwärtsspirale will das Bayerische Rote Kreuz durchbrechen und hat deshalb zum Fachtag „Personalgewinnung und -entlastung insbesondere durch Springerkonzepte“ in die Max-Reger-Halle in Weiden geladen.
Von Eva Rothmeier
Weiden. „Wie können wir mehr Personal gewinnen, welches Potential steckt in Springerkonzepten und wie können wir diese bestmöglich für uns nutzen?“ – Mit diesen zentralen Fragen im Kopf waren wohl die meisten der insgesamt 95 Teilnehmer aus allen Sektoren der Pflege zum Fachtag in die Oberpfalz gereist.
BRK-Vizepräsidentin Brigitte Meyer bestätigte in ihrer Begrüßungsrede, wir wichtig das Thema ist. „Die größte Herausforderung für die Pflegeeinrichtungen sind die fehlenden Arbeitskräfte und es muss die vordringliche Aufgabe der Arbeitgeber sein, bessere Bedingungen zu schaffen“, sagte sie.
Das Springerkonzept, das im Juli 2023 mit Unterstützung des damaligen Gesundheitsminister Klaus Holetschek auf den Weg gebracht wurde, könne ein erfolgreicher Weg zur Verbesserung der Situation sein.
Die Diakonie Bayern habe für ein solches Konzept überzeugende Vorarbeit geleistet und zusammen mit der Freien Wohlfahrtspflege Bayern habe dieses schließlich als Pilotprojekt an den Start gehen können. „Als dann im letzten Jahr ein entsprechender Antragsteller gesucht wurde, weil das Gesundheitsministerium als Träger einer solchen Maßnahme nicht in Frage kam, haben wir uns nach intensiven Diskussionen dazu entschlossen, zusammen mit bpa als Projektpartner in das Modellprojekt einzusteigen“, erklärte Meyer den teilnehmenden Geschäftsführern, Einrichtungsleitern und Pflegedienstleitungen aus dem BRK und der SSG.
Jetzt gehe es allerdings leider – wie so oft – um die Frage der Finanzierung nach der Projektphase.
„Wir als Träger wollen nicht nachlassen, die Probleme an den entsprechenden Stellen laut und deutlich anzusprechen und nach Lösungen zu suchen.“
BRK-Vizepräsidentin Brigitte Meyer
Ein weiterer wichtiger Punkt zur Entlastung der angespannten Situation im Bereich der Pflegefachkräfte ist für die BRK-Vizepräsidentin die Gewinnung von ausländischen Fachkräften. „Auch das ist zwar nicht die Lösung schlechthin, aber ein weiterer Baustein. Wir als Träger wollen nicht nachlassen, die Probleme an den entsprechenden Stellen laut und deutlich anzusprechen und nach Lösungen zu suchen“, sagte sie und wünschte allen Teilnehmern einen interessanten Fachtag mit wertvollen Informationen, die im anstrengenden Alltag weiterhelfen.
Lea Schilder, Landesreferentin Sozialrecht und Organisatorin des Fachtages, erklärte, dass die Laufzeit der bayerischen Springermodellprojekte von einem Jahr inzwischen in allen teilnehmenden Einrichtungen vorbei sei. Die wissenschaftliche Evaluierung sei aktuell an der Hochschule Kempen in Arbeit und Erfahrungen aus erster Hand gebe es für die Fachtags-Teilnehmer in zwei Workshops am Nachmittag.
Allerdings musste auch Lea Schilder darauf verweisen, dass die Finanzierung des Konzepts noch nicht geklärt sei und dies wohl auch noch einige Zeit in Anspruch nehme.
Wie die Springerkonzepte in den Pflegeeinrichtungen gut funktionieren können, stellte Helena Armbrecht vom Diakonischen Werk Bayern vor. Die erste Projektphase, gefördert durch die Evangelisch-Lutherische Kirche Bayern, lief hier in insgesamt elf Einrichtungen von April 2019 bis März 2022 und wurde von der Evangelischen Hochschule Nürnberg evaluiert.
„Wir wollten eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen schaffen und haben uns darauf gestützt, dass für die Pflegefachkräfte vor allem sichere Dienstzeiten auf der Wunschliste ganz oben stehen“, erklärte sie die Anfänge.
Den teilnehmenden Einrichtungen sei bei den Konzepten keine strenge Linie vorgegeben worden. Stattdessen hätten alle ein individuelles strategisches Ausfallzeitmanagement erstellen können mit dem Endziel, die Mitarbeiter durch den Einsatz flexibler Arbeitskräfte zu entlasten.
„Wir hatten das große Glück, hierfür drei Jahre Zeit zu haben. Alle Ideen waren bedarfsorientiert und flexibel und ich stelle ihnen heute drei Konzeptideen vor, die sehr gut funktioniert haben“, sagte Helena Armbrecht und riet den Teilnehmern, sich aus diesen Ideen das herauszupicken, was für die eigene Einrichtung brauchbar und umsetzbar sei.
Das erste Konzept sei das der Springerkraft, die ausschließlich als Springerkraft angestellt und eingesetzt ist. Die Mitarbeiter könnten in verschiedenen Wohnbereichen und/oder Einrichtungen eingesetzt werden, hätten einen festen Dienstplan und ermöglichten den zeitnahen Freizeitausgleich für eingesprungene Kollegen.
Eine weitere Möglichkeit sei das Konzept der Springerdienste für alle interessierten Pflegefachkräfte einer Einrichtung. Diese zusätzliche Fachkraft könne beispielsweise täglich von 8 bis 17 Uhr anwesend sein, was vielen Arbeitnehmern entgegenkomme.
Hierdurch könnten sowohl Arbeitsspitzen abgedeckt als auch ausgefallene Dienste ersetzt werden. „Bei den Springerdiensten ist hohe Flexibilität trotz des geringen Ressourceneinsatzes gegeben“, erklärte die Referentin.
Letztes Konzept sei das wohl meistgenannte in diesem Zusammenhang, nämlich das des Springerpools. Dieser bestehe aus mehreren Pflegekräften mit verschiedenen Qualifikationen und sei optimal für Personen mit eingeschränkten Arbeitszeitmöglichkeiten, die hier angeben könnten, wann genau sie immer arbeiten könnten.
„Mit diesen flexiblen Dienstzeiten kann man tatsächlich Personal zurückgewinnen und auch solche Mitarbeiter halten, die vor dem Absprung sind“, sagte sie.
Wichtig bei allen Plänen sei ihrer Erfahrung nach immer, die Mitarbeiter bei der Erstellung von Konzepten und Planungen mitzunehmen, mit ihnen zu kommunizieren und offen für Veränderungen zu sein. „Tatsächlich sollte man sich von allen Strukturen verabschieden, die man eben immer schon so gemacht hat. Sie funktionieren nicht mehr und es ist maximale Flexibilität gefragt“, zeigte sich die Referentin überzeugt. Das sei zwar anstrengend, aber hilfreich.
Abschließend sagte Helena Armbrecht, dass Springerkonzepte zwar kein Heilsbringer für die Pflege, aber schon ein wichtiger Baustein zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen seien und dadurch aktiv Personal gewonnen und die Kommunikation im Team verbessert werden könnten.
Anschließend stellte Dr. Dominik Bender, Bereichsleitung Personal, Recht und Steuern beim BRK, die rechtlichen und tariflichen Rahmenbedingungen bei solchen Personaleinsätzen vor. Hier erklärte er zunächst den Unterschied zwischen vergütungsrechtlicher und arbeitsschutzrechtlicher Arbeitszeit und welche verschiedenen Formen des Einspringens es im BRK-Tarifvertrag gibt.
„Arbeitszeit ist nicht gleich Arbeitszeit. Deshalb ist es für sie alle wichtig, die Unterschiede zu kennen und sowohl über den Tarifvertrag als auch über die Inhalte der Arbeitsverträge ihrer Mitarbeiter Bescheid zu wissen“, machte der Jurist deutlich. Das Tarifwerk sei kompliziert, aber es lohne sich, dieses zumindest einmal genau durchzulesen.
Im letzten Vortrag vor der Mittagspause referierte Klaus Speckner von der Regierung von Mittelfranken über die Gewinnung ausländischer Fachkräfte für die Pflege. Mit Hilfe der Zentralen Stelle für die Einwanderung von Fachkräften (ZSEF) und der Koordinierungs- und Beratungsstelle Berufsanerkennung (KuBB) können internationale Auszubildende, Pflegefachhilfskräfte, Pflegefachkräfte und Ärzte aus dem Ausland eingestellt werden.
„Ihre Frage ist sicher, wie ausländische Arbeitskräfte möglichst schnell und unkompliziert bei ihnen anfangen können“, sagte der Regierungsdirektor. Seine Behörde mit zehn Mitarbeitern, die insgesamt 15 Sprachen sprechen, sei bayernweit zuständig und berate unter anderem bei Einreisevoraussetzungen, Anerkennungsverfahren, notwendigen Unterlagen und mehr.
Neben der kostenlosen Beratung gebe es zudem das beschleunigte Fachkräfteverfahren mit dem Zweck, dass das Verwaltungsverfahren bis zur Visumantragstellung schneller abgewickelt werde. „Wir wissen genau, welche Unterlagen benötigt werden. Und vollständige Unterlagen sind das A und O. Mit der Fast Lane für ausländische Gesundheitsfachberufe konnten wir so die Bearbeitungszeit beispielsweise halbieren“, erklärte Speckner. Seit 1. Januar 2025 gebe es zudem eine Fast Lane für Pflegefachhilfskräfte aus Drittstaaten.
„Viele Teilnehmer haben die hohe Fachlichkeit der Vorträge und der Referenten gelobt. Es wurden viele Fragen gestellt und auch die Workshops sind inhaltlich sehr gut angekommen.“
Lea Schilder, Landesreferentin Sozialrecht und Organisatorin des Fachtages
Alle drei Fachvorträge wurden mit großem Interesse verfolgt und sorgten für zahlreiche Fragen unter den Teilnehmern. Der Nachmittag stand dann ganz im Zeichen der Workshops. Hier stellten Stefan Hupf und Nathalie Simeth vom Seniorenheim Furth im Wald die „Springerkonzepte der Langzeitpflege“ des BRK vor, erläuterte Helena Armbrecht noch einmal genauer die „Springerkonzepte der Langzeitpflege“ in der Diakonie, sprach Patrick Bruhn, Leiter der Abteilung Senioren & Pflege, über die Refinanzierung von Personalkosten (Springer und Akquise-Kosten) in den Pflegegesetzverhandlungen, und Klaus Speckner gab zusammen mit Carolin Ziegaus vom Landesamt für Pflege konkrete Tipps für die Gewinnung von ausländischen Fachkräften.
Organisatorin Lea Schilder zeigte sich im Anschluss mehr als zufrieden mit dem Fachtag in Weiden. „Viele Teilnehmer haben die hohe Fachlichkeit der Vorträge und der Referenten gelobt. Es wurden viele Fragen gestellt und auch die Workshops sind inhaltlich sehr gut angekommen“, erklärte sie.
Mit Carolin Ziegaus vom Landesamt für Pflege sei sogar eine zusätzliche Online-Informationsveranstaltung geplant, in der sie das Antragsverfahren bei ihrer Behörde und ihre Tipps dazu noch einmal für weitere Interessierte aus den Einrichtungen wiedergeben kann.