„Das Haus mit seinen Bewohnern und Mitarbeitern ist wie meine zweite Familie“

Seit 29 Jahren gibt es das BRK-Senioren- und Servicezentrum in Neutraubling mitten am Marktplatz. Und genau so lange ist Michael Melcher dessen Heimleiter. Zum 30. September 2024 verabschiedet sich der 65-Jährige in den Ruhestand. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge blickt er zurück auf viele wunderschöne, aber auch kräftezehrende und stressige Momente in „seinem“ Haus.

Von Eva Rothmeier

Neutraubling. Knapp drei Monate sind es noch, in denen Michael Melcher seinen ersten Kaffee des Morgens in der Küche des BRK-Senioren- und Servicezentrum Neutraubling genießen wird. Das sind die Momente des Tages, die ihm seit Beginn besonders wichtig sind. Zusammen mit dem Personal den anstehenden Tag besprechen, aber auch über private Themen reden und lachen. „Das Haus, seine Bewohner und Mitarbeiter, sind tatsächlich wie meine zweite Familie“, verrät der Heimleiter.

„Ich wollte einen Job, bei dem ich mit Menschen arbeiten kann, aber auch eigene Ideen entwickeln und Verantwortung übernehmen darf.“ Heimleiter Michael Melcher

Gegen 7.45 Uhr, wenn das Küchenpersonal gerade Pause macht, kommt er deshalb wann immer möglich dazu. Dann wird zusammengesessen und über alles Mögliche gequatscht. Michael Melchers ganzes Herzblut steckt in dieser Einrichtung. Und dass, obwohl sein ursprünglicher Berufsweg gar nicht in Richtung Pflege ging. Der gebürtige Hesse entschied sich nach dem Abitur zunächst für die Bundeswehr und verpflichtete sich für zwölf Jahre als Zeitsoldat. In dieser Zeit studierte er Diplom-Pädagogik in München und lernte, als er in der Regensburger Nibelungenkaserne stationiert war, seine heutige Frau, eine Neutraublingerin, kennen.

„Mir war schnell klar, dass ich hierbleiben möchte. Das ist in der Bundeswehr allerdings schwer, deshalb habe ich nach einem Job gesucht, in dem ich zum einen mit Menschen arbeiten kann, aber auch eigene Ideen umsetzen und Verantwortung übernehmen darf“, erinnert sich Melcher. Eine Bekannte habe ihn auf eine Heimleiter-Stelle aufmerksam gemacht, die damals in einem Seniorenheim in Vohenstrauß bei Weiden ausgeschrieben war.

Er habe sich dann über das Aufgabengebiet schlau gemacht, sich beworben und die Stelle 1990 – auch ohne Pflegeerfahrung – bekommen. „Ich habe dann berufsbegleitend die Heimleiterausbildung absolviert und im ersten Jahr tatsächlich in dem Pflegeheim gewohnt, weil es gar nicht so einfach war, eine Wohnung in Vohenstrauß zu mieten“, erzählt Melcher. In diesem Jahr habe er unglaublich viel gelernt, weil er zu seinen Verwaltungsaufgaben immer auch mit den Pflegern auf den Stationen unterwegs gewesen sei. Learning by doing also.

Als dann bekannt wurde, dass in Neutraubling ein neues Seniorenheim mitten im Stadtzentrum gebaut werden soll, war für Michael Melcher und seine Frau klar, dass er sich dorthin bewerben möchte. „Ein ganz neues Haus mitten in der Stadt mit aufzubauen und Pflöcke einschlagen zu können, und das auch noch in der Heimat meiner Frau, in der auch ich durch mein Engagement in der Pfarrjugend schon Wurzeln geschlagen hatte. So eine Chance gibt es wohl nur einmal im Leben“, sagt der heute 65-Jährige.

Melcher ergriff diese Chance und übernahm die BRK-Einrichtung noch im Rohbau, bevor diese im November 1995 mit fünf Bewohnern offiziell eröffnet wurde. „Das Haus war damals noch gar nicht in allen Teilen fertig. Es gibt hier wohl keinen Stuhl, keinen Tisch, kein Bett, kein Möbelstück, das ich nicht in der Hand hatte. Denn jeder Mitarbeiter musste bei allen anfallenden Arbeiten mit anpacken“, berichtet er von den Anfängen.

Im Mai 1996 waren schließlich alle 101 Einzelzimmer, ein absolutes Novum in Pflegeheimen in Bayern, voll belegt. Ein weiteres Einzelzimmer wurde im Laufe der Jahre noch angebaut, so dass es in dem Senioren- und Servicezentrum in Neutraubling heute 102 Einzelzimmer gibt. „So ein Pflegeheim könnte sowohl aus Platz- als auch aus Kostengründen heute gar nicht mehr gebaut werden“, sagt Melcher.

Seit seinen Anfängen habe sich in der Pflege grundsätzlich viel verändert. Der Verwaltungsaufwand sei beispielsweise um ein Vielfaches höher und auch die Einführung der Pflegeversicherung mit ihren permanenten Weiterentwicklungen, das notwendige Qualitätsmanagement, das erste großflächige Auftreten des Norovirus, die generalistische Ausbildung und natürlich die Coronapandemie seien echte Herausforderungen gewesen. „Ich konnte dennoch sehr viele meiner Ideen verwirklichen und meine Arbeit ist mir die allermeiste Zeit gar nicht wie Arbeit vorgekommen, weil ich es eben so gerne mache“, sagt der Heimleiter. Bei einem Rundgang durch „sein Haus“ wird schnell deutlich, wie stolz er auf alle Mitarbeiter und Bewohner ist.

„Im Laufe der Jahre hat es viele Gesichter und Ereignisse gegeben, die ich nicht vergessen werde. “ Michael Melcher verabschiedet sich bald in den Ruhestand

„Für mich war und ist wichtig, dass die Bewohner im Mittelpunkt stehen und jeder aus unserem Team gleich viel zählt, weil wir eine Gemeinschaft sind. Alle packen mit an. Wir bemühen uns, ein schönes und abwechslungsreiches Programm für die Senioren auf die Beine zu stellen, damit jeder sich bei uns wohl fühlt. Im Laufe der Jahre waren viele Gesichter und Ereignisse dabei, die ich nicht vergessen werde“, erzählt der Heimleiter.

Seit 1995 hat er es sich auch nicht nehmen lassen, beispielsweise an Heiligabend jedem Bewohner persönlich „Frohe Weihnachten“ zu wünschen und bei der katholischen Christmette und dem evangelischen Weihnachtsgottesdienst in der hauseigenen Kapelle immer mit dabei zu sein. Auch das Sommerfest und die Faschingsfeiern gehörten immer zu seinen Highlights. „Diese Feiern und natürlich noch ganz viel mehr werde ich in Zukunft schon sehr vermissen“, gibt Michael Melcher zu.

Trotz aller Wehmut ist der 65-Jährige überzeugt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für seinen Abschied gekommen ist. Pläne für den Ruhestand gibt es schon genügend. „Ich freue mich schon darauf, viel Zeit für meine beiden Enkeltöchter und die Familie zu haben. Außerdem mache ich gerne Geocaching, bin Mitglied beim Obst- und Gartenbauverein, aktiv bei der Feuerwehr und engagiere mich seit über 20 Jahren auch parteipolitisch in Neutraubling in der CSU. Seit 2002 bin ich zudem Stadtrat und will mich auch künftig politisch engagieren und für die Stadt einbringen“, erzählt er. Gerade in der Seniorenarbeit könne man von seiner langjährigen Erfahrung profitieren.

Was Melcher allerdings nicht möchte, ist ständig an seinem alten Arbeitsplatz aufzutauchen, auch wenn dieser fußläufig nur zwei Minuten von seinem Zuhause entfernt ist. „Mein Nachfolger soll seinen eigenen Weg gehen und eigene Erfahrungen machen dürfen. Ich werde mich da auf keinen Fall einmischen“, bekräftigt Michael Melcher.

Der künftige Neutraublinger Heimleiter darf übrigens in einem fast komplett renovierten Haus seinen Einstand geben. „Die umfangreiche Sanierung ist nahezu abgeschlossen. Jetzt wünsche ich mir nur, dass es den Bewohnern hier weiter so gut geht und sie und ihre Bedürfnisse immer im Mittelpunkt stehen. Der Mensch soll immer im Vordergrund bleiben“, sagt Michael Melcher.

Er selbst will ab Oktober seinen Ruhestand genießen und seine Berufsjahre immer in allerbester Erinnerung behalten.